Paartherapie
Am Anfang einer Paarbeziehung stehen Liebe, Zuneigung, Attraktivität und Begehren im Vordergrund, manchmal auch der Wunsch, einem anderen zu helfen, aus einer schwierigen Situation herauszukommen oder sich das Leben durch Gemeinsamkeit zusammen zu erleichtern. Ob eine Paarbeziehung „halten“ wird, hängt von sehr vielen Faktoren ab, über deren Bedeutung sich beide oft erst im Verlauf der Paarbeziehung klar werden, hier einige Beispiele:
- Wie sieht die Beziehung zur Herkunftsfamilie aus, habe ich mich aus ihr herausgelöst oder hat sie immer noch bestimmenden Einfluss auf mein Leben und damit auf die Partnerschaft?
- Welche Wünsche, Träume Sehnsüchte, welche belastenden Erfahrungen bringe ich aus meiner Herkunftsfamilie mit und richte sie an meine/n Partner/in?
- Welche Form der Konfliktverarbeitung habe ich kennengelernt bzw. selber entwickelt?
- War es mir möglich, mit meiner Partnerin oder Partner ein gemeinsames Leben aufzubauen oder sind wir zwei Menschen geblieben, die nebeneinander leben?
- Gelingt es uns, auf unsere gegenseitigen Wünsche einzugehen?
- Wie gehen wir mit unterschiedlichen Vorstellungen von Nähe und Distanz um?
- Können wir uns gegenseitig unterstützen und einander Halt geben?
- Wie viel Aufmerksamkeit, Achtung und Anerkennung brauchen wir voneinander?
- Sind die Aufgaben und Verantwortungsbereiche gerecht verteilt?
- Können wir unser Leben so organisieren, dass beide davon profitieren können?
- Können wir unsere individuelle, persönliche Entwicklung in die Paarbeziehung integrieren?
Wenn aus einer Paarbeziehung eine Familie mit Kindern wird, kommen noch einige andere wichtige Fragen dazu:
- Welche Fürsorge brauchen die Kinder und wie viel Zuwendung bleibt für uns als Paar?
- Wie verstehen wir unsere Rollen als Mutter und Vater und an welchen Vorstellungen orientieren wir uns dabei?
- Können wir uns auf ein Erziehungskonzept einigen?
Nachdem am Anfang einer Paarbeziehung die Suche nach Verständigung, Harmonie und ungeteilter Gemeinsamkeit steht, kommt im Laufe der Zeit mit den auf die Paarbeziehung zukommenden Aufgaben z.B. in der Klärung, ob Kinder gewünscht werden oder wie die beiderseitige berufliche Orientierung verlaufen soll, unweigerlich ein Prozess der Distanzierung in Gang, der gegenseitig unterschiedliche Wünsche und Vorstellungen verdeutlicht.
Häufig sind einsetzende Streitigkeiten zwischen den Partnern/innen - bis hin zum Eingehen einer Außenbeziehung - deutliche Hinweise, dass beide ein neues Gleichgewicht in der Beziehung suchen. Auch wenn beide sich darüber auseinandersetzen, geht es dabei jedoch nicht um Recht- oder Unrechthaben, um Wahrheit oder Lüge, um Moral oder verwerfliches Verhalten, sondern um das Bemühen, einen neuen Zugang zur/ Partner/in im Aushalten und Akzeptieren der Erfahrung von Nähe und Distanz, Vertrautheit und Andersartigkeit, Liebenswürdigkeit und Kühle zu gewinnen.
Ein Scheitern dieser Bemühung ist ohne Zweifel in den verschiedenen Phasen einer Paarbeziehung auch immer möglich. Da es sich jedoch bei einer Trennung von/m Partner/in um eine existenzielle Entscheidung handelt, lohnt es sich meines Erachtens immer, die innere Dynamik der Beziehung zu erforschen, um eine fundierte Entscheidung für oder gegen die Beziehung treffen zu können.
Dabei ist es jedoch außerordentlich wichtig, die Hinweise auf eine krisenhafte Entwicklung innerhalb der Paarbeziehung nicht zu übersehen und rechtzeitig Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sich sehr schnell ein ganzer Berg von Verletzungen anhäufen kann, die nicht verarbeitet und nicht versöhnt werden können. Dies kann dann zur Entwicklung einer Atmosphäre von Misstrauen, Feindseligkeit und Enttäuschung führen, so dass in dieser Gestimmtheit die Suche nach konstruktiven weiterführenden Möglichkeiten kaum noch möglich ist. Eine solche Situation grenzt auch den Erfolg einer Paartherapie stark ein.
Nach meinem Verständnis von Paartherapie bevorzuge ich innerhalb der Therapiesitzungen bei der Behandlung der jeweils vom Paar eingebrachten Themen und der Erforschung der inneren Dynamik eines Paares folgendes Vorgehen:
- Es ist notwenig, dass jede/r Partner/in für sich den Raum bekommt, für sich sprechen zu können.
- Es gilt herauszufinden, ob die Botschaften bei/m anderen so ankommen, wie sie gemeint sind und welche Resonanz sie bewirken.
- Es geht um die Frage, ob die Vorstellungen, Erwartungen und Ansprüche an den Partner mit seiner Person zu tun haben oder vorwiegend aus eigenen unerfüllten Kindheitswünschen resultieren.
- Es gilt festzustellen, welche „Kultur“ ein Paar braucht in Bezug auf Gespräche, gemeinsame Unternehmungen, Beziehungen zu anderen Paaren oder auch persönlichen Freunden sowie der Pflege persönlicher Interessen.
- Verletzungen und Kränkungen, die sich beide zugefügt haben, müssen offen angesprochen werden, um Möglichkeiten der Wiedergutmachung oder Versöhnung herauszufinden.
Die Dauer einer Paarsitzung beträgt je nach Absprache 60 bis 90 Minuten.
Damit genügend Zeit bleibt für Gespräche und neue Erfahrungen, die das Paar in der Zwischenzeit machen kann, finden die Sitzungen nicht wöchentlich, sondern höchstens 14-tägig oder in grösseren Abständen statt.
Die Kosten werden in der Regel über die Grundversicherung abgerechnet.
Die Arbeit an einer Paarbeziehung kann man gut mit der schöpferischen Arbeit eines Bildhauers vergleichen, der mit der Idee und inneren Vorstellung eines zu schaffenden Kunstwerks sich ans Werk macht, aus einem Stein eine Skulptur herauszuarbeiten. In diesem Fall ist es Aufgabe beider Partner, mit ihren gestaltenden Möglichkeiten der Skulptur ihrer Beziehung die Gestalt und die Form zu geben, die ihnen vorschwebt. Auch wenn vielleicht jede/r andere Vorstellungen hat, ist es ein gemeinsames Werk, über das Verständigung notwendig ist. Im günstigen Fall gelingt das Werk zu beider Zufriedenheit, manchmal bleibt es aber unvollendet und muss dann in anderen Lebenszusammenhängen seine Fortsetzung finden.